Quo vadis Digitalisierung? Am ersten DigitSummit sprach Stephan Sigrist, Gründer und Leiter des Think Tanks W.I.R.E., über die offizielle und inoffizielle Zukunft der digitalen Welt. Wie wird die dritte industrielle Revolution unser Leben verändern? Wo liegen Chancen und wo lauern Gefahren?

Am ersten DigitSummit sprach Stephan Sigrist, Gründer und Leiter des Think Tanks W.I.R.E., über die offizielle und inoffizielle Zukunft der digitalen Welt. Wie wird die dritte industrielle Revolution unser Leben verändern? Wo liegen Chancen und wo lauern Gefahren?

„Nicht alles, was heute erzählt wird, wird Realität werden.“ Eine der ersten Aussagen von Stephan Sigrist zur digitalen Revolution unseres Zeitalters löste im Publikum noch kein grosses Erstaunen aus. So erscheint es uns doch allen als plausibel, dass tendenziell alles etwas heisser gekocht wird, als es dann tatsächlich ist. Und doch wurde im Verlauf des Referats deutlich, dass die Aussage mehr Brisanz aufweist, als es anfänglich zu sein schien.

Was wir heute denken, muss in zehn Jahren nicht zwingend eingetroffen sein. Es besteht die Möglichkeit, dass die heutigen Annahmen über die Zukunft schon bald als vorübergehender Trend einer äusserst innovativen Generation gelten könnten. Viel wahrscheinlicher aber ist, dass die Zukunft zwar durchaus von der Digitalisierung geprägt, aber die analoge Welt doch bis zu einem gewissen Grad weiterleben wird.

Die offizielle Zukunft

Aktuelle Prognosen besagen, dass die Zukunft für gewisse Branchen ungemütlich oder zumindest deutlich anders wird. So werden Arbeitnehmenden in einfachen Dienstleistungsberufen, solchen in der Industrie, aber auch jenen in der Baubranche häufig wenig Hoffnungen für eine berufliche Zukunft in ihrer Tätigkeit gemacht. Umschulung, ständige Weiterbildung, Aneignen von neuen Kernkompetenzen: Das sollen die Antworten von Menschen in bedrohten Berufsfeldern auf die dritte industrielle Revolution sein.

Die logische Denkweise nach mikroökonomischem Modell ist, dass Menschen sich automatisch so verhalten, dass der Markt effizient gestaltet wird. Tatsächlich treffen vier von zehn Grundannahmen des natürlichen, rationalen Denkens (homo oeconomicus) auf diese Theorie zu:

– Menschen reagieren auf Anreize (ist das, was mir geboten wird genug, damit ich es mache?)
– Menschen denken rational (wo verdiene ich am meisten?)
– Menschen entscheiden zwischen Optionen (in einer alten Branche sterben oder in einer neuen überleben?)
– Die Kosten der gewählten Option ist der Nutzen der nicht gewählten Variante (für welche Option sind meine Opportunitätskosten am niedrigsten?)

Und so sprechen wir aktuell davon, dass Automatisierung, virtuelle Realität oder intelligente Mobilität schon bald nicht mehr Zukunftsvision sind, sondern als fester Bestandteil unseres alltäglichen Lebens gelten. Oder wie Sigrist es beschreibt: „Technologie ist eingebettet ins Betrebssystem der Marktwirtschaft und dieses wiederum ins Betriebssystem der Gesellschaft.“

Aber wir alle haben gelernt, dass Modelle nicht isoliert betrachtet werden sollten. Oft sind diese auf unveränderte Umweltbedingungen (ceteris paribus) angewendet und berücksichtigen gesellschaftliche, politische und individuelle Hebelwirkungen nicht mit ein.

Die inoffizielle Zukunft

Wir sind mittlerweile so spezialisiert, dass die grossen Zusammenhänge aus den Augen verloren werden. Der Verbreitungsgrad der Ressource „Wissen“ wird trotz, ja gerade wegen der Digitalisierung, immer stärker eingeschränkt. Gerade dieser Umstand ist zugleich Chance und Gefahr. Wir gehen wie oben beschrieben, von Stabilität, freiem Güter- und Personenverkehr aus. Doch was passiert bei politischen Unruhen, bei Handelshemnissen oder einer unerwarteten Situation, welche die heutige Vernetzung unterbindet? Ein weiteres der ökonomischen Grundprinzipien besagt, dass Handel jeden reicher macht. Wird dieser Handel aber wie oben ausgeführt verunmöglicht, kann das Knowhow nicht mehr vermittelt werden. In dieser Situation sitzt jeder auf seinen Produktionsfaktoren fest und niemand kann mehr von Handel profitieren. Die totale Isolation also, und die Kehrseite der funktionierenden offiziellen Zukunft.

Ein weiterer Gegentrend könnte einsetzen, wenn Menschen den digitalen Wandel nicht mehr mitzumachen vermögen. Überforderung kann zu tiefgreifenden gesellschaftlichen Problemen führen und provoziert Auffangsysteme einer bisher nicht für möglich gehaltenen Dimension. Dies deutete sich jüngst mit der Volksabstimmung zum „bedingungslosen Grundeinkommen“ bereits an. Doch ist eine solche Massname selbst für den Falle eines Eintretens der inoffiziellen Zukunft verfrüht und eine Diskussion ob deren dreinstigen Notwendigkeit Stand heute müssig.

Die These und die Empfehlung von Sigrist für KMU

„Die inoffizielle Zukunft bringt keine Erhöhung der Transparenz, sondern man wird nur mehr überwacht. Das heisst: Es kann eine Gegenreaktion erfolgen, bei der die Menschen die Abkehr von der Digitalisierung und die Rückkehr zur analogen Welt fordern. Erliegen sie nicht jedem Hype, folgen sie nicht jedem Trend. Initiieren sie Früherkennungssysteme für mögliche digitale Trends und denken sie immer darüber nach, ob der Trend eine Bereicherung in ihrer Wertschöpfungskette mit sich bringen könnte.“

Fazit

Innovation erfolgt nicht durch Datenanalyse, sondern durch das Antizipieren von künftigen blauen Ozeanen, also neuer Wertschöpfungsstufen. Es braucht Mut für Experimente, nur das bringt sie weiter.

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