«Erwarten ab Frühjahr eine Normalisierung» UBS-Chefökonom Daniel Kalt ist zuversichtlich, dass die Schweizer Wirtschaft bis 2022 wieder auf Vorpandemieniveau sein wird.

UBS-Chefökonom Daniel Kalt ist zuversichtlich, dass die Schweizer Wirtschaft bis 2022 wieder auf Vorpandemieniveau sein wird.

Mit der Covid-19-Impfung wird eine Rückkehr zur Normalität möglich. Was heisst das für die Schweiz?

Daniel Kalt: Am Ende hängt alles vom medizinischen Fortschritt, von der Wirksamkeit der Impfung, aber auch von den Folgen der Virusmutation ab. Sofern die Impfkampagne erfolgreich ist, erwarten wir ab dem Frühjahr eine Normalisierung. Dann dürfte es zu einem Nachholeffekt kommen, wie wir ihn bereits vergangenen Sommer gesehen haben: Im Lockdown mussten die Menschen ihren Konsum zurückstellen. Diesen haben sie anschliessend überwiegend nachgeholt. Dadurch hat die Schweizer Wirtschaft einen Teil der Verluste wieder wettgemacht. Eine ähnliche Entwicklung dürfte es auch diesmal geben.

Wann wird die Schweizer Wirtschaft auf das Vorpandemieniveau zurückkehren?

Dies dürfte wohl bis 2022 dauern. Dabei sind die durch die Pandemie verlorenen Jahre nicht eingerechnet. Sonst würde es noch länger gehen.

Wie wird sich die Situation nach der Pandemie präsentieren?

Die Welt wird sicherlich nicht mehr die gleiche sein wie vor der Pandemie. Diese hat viele Trends, die wir schon vorher beobachten konnten, massiv beschleunigt. Denken Sie nur an den Online-Handel oder die Arbeit im Homeoffice. Die Pandemie hat die Denkhaltung der Konsumenten, der Unternehmen und Arbeitnehmenden nachhaltig beeinflusst. Unser Leben wird sich kaum komplett verändern, gewisse Verhaltensmuster aus der Pandemie werden wir allerdings beibehalten.

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Durch die Krise hat die Regionalität wieder an Bedeutung gewonnen. Wird der Trend anhalten?

Bereits vor der Pandemie konnten wir feststellen, dass eine Rückverlagerung der Produktion vermehrt ein Thema war. Diese Entwicklung wurde durch die Krise beschleunigt. Man hat erkannt, wie schnell sich neue Rahmenbedingungen bilden. Eine Folge davon ist, dass die Unternehmen in zunehmendem Masse Wert auf eine sichere Lieferkette legen und auch einmal Redundanzen in Kauf nehmen oder Puffer einplanen und verstärkt lokal einkaufen. Ursächlich für die erhöhte Regionalität ist aber auch der steigende Fokus auf Nachhaltigkeit. Sowohl Unternehmen als auch Konsumenten achten heute mehr auf die Herkunft der Produkte. Man will wissen, wie und wo etwas produziert wurde. Dies führt dazu, dass die Unternehmen ein bewusstes Insourcing vornehmen.

Wie wichtig ist die hohe Agilität der hiesigen Unternehmen in der Krise?

Die hohe Agilität der Schweizer Firmen ist kein Klischee. In einer kleinen, offenen Volkswirtschaft braucht es diese Flexibilität, um erfolgreich zu sein. Zudem waren hiesige Firmen durch verschiedene kleinere und grössere Krisen in den vergangenen Jahren gut vorbereitet. So ist das Bruttoinlandprodukt 2020 hierzulande nur um rund 3 Prozent eingebrochen, während der Rückgang in der Eurozone doppelt so hoch ausfiel.

Erwarten Sie, dass es 2021 zur befürchteten Konkurswelle kommen wird?

Tatsächlich zählte man 2020 sogar weniger Konkurse als 2019, wobei die Unterschiede von Branche zu Branche markant sind. Ein Grund dafür waren wirtschaftliche Stützungsmassnahmen wie Kurzarbeit, Überbrückungskredite oder das Aussetzen des Schuldbetreibungs- und Konkursverfahrens. Derzeit werden die Konkurse noch wie eine Bugwelle hinausgezögert. Je länger aber die Einschränkungen andauern, desto grösser ist das Risiko, dass Betriebe schliessen müssen.

Unabhängig von der Pandemie: Welche weiteren globalen Ereignisse dürften das Jahr 2021 prägen?

Man kann die Pandemie nicht ausklammern, das Coronavirus wird auch 2021 dominieren. Derzeit steht noch nicht fest, ob wir über den Berg sind – vor allem mit Blick auf die Mutationen. Ansonsten gibt es in der Schweiz ein paar weitere Baustellen: Nach wie vor ist unsere Beziehung zu Europa nicht geklärt. 2021 wird sich zeigen, ob und unter welchen Bedingungen die Schweiz mit der EU ein institutionelles Rahmenabkommen vereinbaren wird. Je nach Ausgang der Verhandlungen kann dies noch zu einigen Turbulenzen führen. Entsprechend sollten die Unternehmen immer auch die Devisenkurse im Auge behalten.

Welche Folgen ergeben sich durch den Brexit-Deal für Schweizer KMU?

Der Brexit-Deal beendet eine Phase der totalen Unsicherheit. Es war sehr wichtig, dass eine Einigung zustande gekommen ist und Grossbritannien einigermassen im Regime des EU-Binnenmarkts gehalten werden konnte. Schweizer Firmen, die UK als Absatzmarkt haben oder Vorprodukte von dort beziehen, dürften von dieser Einigung profitieren. Allerdings sollten sie auch hier in jedem Fall die Entwicklung der britischen Währung genau verfolgen.

Welche Auswirkungen erwarten Sie von der neuen Regierung in den USA?

Entscheidend waren die Senatswahlen in Georgia, welche die Demokraten gewonnen haben. Dadurch kann der neue US-Präsident Joe Biden seine wirtschaftspolitischen Vorhaben besser umsetzen. Darauf haben die Finanzmärkte und auch die Zinsen mit einem leichten Anstieg bereits reagiert. Aussenpolitisch wird Joe Biden versuchen, den Multilateralismus wieder voranzubringen und andere Akzente zu setzen als sein Vorgänger. Im Ton dürfte er konzilianter sein, in der Sache wird er mit China wohl nach wie vor auf Konfrontation gehen. Der Handelsstreit mit China wird kaum beigelegt, was für die Weltwirtschaft ein latentes Risiko bedeutet

Abschliessend: Aus den Erfahrungen des vergangenen Jahres, welche Vorkehrungen sollten Schweizer KMU für 2021 treffen?

2020 war für Schweizer KMU ein Stresstest, den sie gut gemeistert haben. Entscheidend sind weiterhin ein gutes Liquiditätsmanagement und eine sorgfältige Investitionsplanung, um auf Verwerfungen vorbereitet zu sein. Daneben gilt es auch die Währungsrisiken zu beachten. Mittelfristig sollten die Unternehmen ihre Wertschöpfungskette überprüfen und gegen Turbulenzen absichern. Dazu gehört ausserdem eine zunehmend auf Regionalität ausgerichtete Beschaffung. Alles in allem müssen die Firmen weiter an ihrer Fitness arbeiten, da die kommenden Monate anspruchsvoll bleiben dürften.

 

Daniel Kalt wurde 2010 zum Chefökonom Schweiz von UBS ernannt. Seit 2012 bekleidet er zudem die Funktion des Chief Investment Officer Schweiz

Dieser Artikel wurde von NZZ Content Creation im Auftrag von UBS Schweiz erstellt.


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