Bewerberauswahl im 21. Jahrhundert Online-Tests, CV-Filterung durch Algorithmen oder auch von Robotern analysierte Videos werden immer häufiger als Methoden in der Bewerberauswahl eingesetzt. Sind sie aber für ein KMU wirklich nützlich? Erläuterungen.

Online-Tests, CV-Filterung durch Algorithmen oder auch von Robotern analysierte Videos werden immer häufiger als Methoden in der Bewerberauswahl eingesetzt. Sind sie aber für ein KMU wirklich nützlich? Erläuterungen.

Mehr als 30% der Schweizer Unternehmen, 20% davon KMU, verfolgen im Bereich Personalwesen (HR) Projekte im Zusammenhang mit Künstlicher Intelligenz (KI). Zu diesem Schluss kam eine von der Hochschule für Wirtschaft Freiburg durchgeführte Studie vom September 2019.

Zwei Arten von digitalen Tools

Worum genau geht es? Einerseits gibt es Tools für die digitale Bewertung und Selektion – zum Beispiel Online-Eignungstests, Persönlichkeitstests oder gefilmte Gespräche –, die es möglich machen, das, was traditionell im Unternehmen geschieht, in räumlicher Distanz durchzuführen. Sie funktionieren mit traditionellen Algorithmen.

Andererseits gibt es eine zweite Art von Tools, die auf Algorithmen auf der Basis von Künstlicher Intelligenz zurückgreifen. Das sind Algorithmen, denen man „Deep Learning“ hinzugefügt hat. Mit diesen Technologien lassen sich zwei Elemente verbinden. Man wählt beispielsweise eine Reihe von Kandidaten aus, die als passend angesehen werden. Dann beauftragt man die Maschine damit, alle folgenden Bewerber auf der Grundlage dieser ersten Auswahl einzuordnen.

Etliche Vorteile

Der Nutzen von digitalen Bewertungstools liegt auf der Hand. Er reicht von der Zeit- und Kostenersparnis bis zur Möglichkeit, Bewerber ausserhalb der eigenen geographischen Region zu erreichen. So entwickelte Manpower, der Riese für Zeitarbeit und Rekrutierung, einen „Digital Room“, der mehrere bereits bekannte und geprüfte Technologien (Stimmanalyse, Videoanalyse von Emotionen und Verhalten, verbaler, para-verbaler und non-verbaler Kommunikation) zusammenführt.

„Dieses Tool kommt ganz am Anfang des Rekrutierungsprozesses zum Einsatz“, erklärt Romain Hofer, Kommunikationsleiter der Manpower Group. „Es begleitet die Entscheidung und ermöglicht eine Vorauswahl der Bewerber. Der Personaler hat dann mehr Zeit für den Austausch mit den Personen.“ Doch diese digitalen Ressourcen sind nicht unbedingt in jedem Umfeld angebracht: „Besonders nützlich sind sie, wenn viele Mitarbeiter rekrutiert werden, es sehr schnell gehen soll oder wenn man von einer Flut an Bewerbungen überrollt wird.“

Vor dem Hintergrund des „Kampfes um die Talente“ schätzt Laetitia Kulak, Geschäftsführerin der Agentur Global HR Talents, dass der Mehrwert eher in der Nutzung von sozialen Netzwerken und Videos zu finden ist. Diese ermöglichen einerseits, geeignete Bewerber zu identifizieren (oder im HR-Jargon zu „sourcen“), und andererseits ein dynamisches und attraktives Bild des Unternehmens zu vermitteln.

Effizienz der KI?

Für mehr Diskussionen sorgt die Frage nach den Vorteilen und der Effizienz von Algorithmen, die mit KI arbeiten. Laut Romain Hofer ist der einzige Vorteil dieser Tools ihre Beständigkeit. „Am Ende eines Tages voller Bewerbungsgespräche nimmt die Aufmerksamkeit vieler Manager ab, umso mehr, da sie die Gespräche oft auf eine kurze Zeitspanne konzentrieren. Solche Grenzen kennen diese Tools nicht.“

Aus Sicht von Adrian Bangerter, Professor für Arbeitspsychologie an der Universität Neuenburg, hängt die Effizienz der mit KI verbundenen Algorithmen von der Qualität der zu Beginn eingegebenen Daten ab. Dabei werden die Daten, mit denen diese Tools arbeiten (zum Beispiel, was als guter Bewerber angesehen wird), häufig aus Kostengründen selbst schon automatisiert eingespeist, ohne dass sie von HR-Teams geprüft werden.

Die zweite Begrenzung ist eine strukturelle: „Nur wenige KI-Tools erlauben es derzeit, die Leistung eines Kandidaten vorherzusagen“, so die Analyse von Adrian Bangerter. Damit diese effizient genutzt werden können, muss das Unternehmen ganz genau wissen, was es sucht und als Kriterien eingeben will, was nicht immer der Fall ist. Ausserdem sorgen eng gefasst Kriterien dafür, dass untypische Profile aussortiert werden, obwohl dahinter hervorragende Mitarbeitende stecken könnten.

Der dritte grosse Nachteil dieser Tools ist ihr Mangel an Transparenz. Im Rahmen des Machine Learning ist es unmöglich, ganz genau zu verstehen, anhand welcher Kriterien und über welches Verfahren die Maschinen beurteilt haben, dass es ein bestimmter Bewerber verdient, ausgewählt zu werden. Einige können bei der Auswahl regelrecht „subjektiv“ vorgehen.

Letztlich ist der Nutzen der Digitalisierung wirklich begrenzt, wenn man nach sehr spezifischen Kompetenzen sucht, wie die Recruiter bemerken. In diesem Fall bleiben klassische Assessment-Center mit Rollenspielen und Gruppendiskussionen eine hervorragende Option. „Wenn das gut gemacht wird, sind die Experten, die das Ganze durchführen, in der Lage, ein recht umfassendes Profil der Person zu erstellen, was im Zusammenhang mit verantwortungsvollen Posten nützlich ist“, weiss Adrian Bangerter.

Weiterführende Informationen auf dem KMU-Portal:
E-Recruiting: Personalsuche im Internet

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