33 Fragen an Jan Stiller, Direktor „Lenkerhof Gourmet Spa Resort“ Jan-Andreas Stiller (41) ist in der Lenk aufgewachsen und führt den «Lenkerhof» mit seiner Partnerin Heike Schmidt im zehnten Jahr. Zum «Lenkerhof» gehören das Bergrestaurant Bühlberg und seit 2016 auch zwei Apartmenthäuser mit 56 Wohnungen.

Jan-Andreas Stiller (41) ist in der Lenk aufgewachsen und führt den «Lenkerhof» mit seiner Partnerin Heike Schmidt im zehnten Jahr. Zum «Lenkerhof» gehören das Bergrestaurant Bühlberg und seit 2016 auch zwei Apartmenthäuser mit 56 Wohnungen.

«Das Gastgeber-Gen kann man nicht kaufen»

Haben Sie Ihre Karriere von Anfang an genau vor sich gesehen?
Nein, das habe ich definitiv nicht. Dass ich ins Gastgewerbe gehen möchte, war mir schon klar – meine Eltern haben mir das quasi in die Wiege gelegt. Dass ich zusammen mit meiner Partnerin bereits im Alter von 31 Jahren die Leitung eines sehr bekannten Fünfsternehauses übernehmen darf, war so nicht gedacht und hätte man auch nicht planen können.
Wie lauten Ihre Führungsgrundsätze?
Offen, direkt und viel Spass bei der Arbeit. Guten Mitarbeitern muss man Vertrauen schenken, sie fördern und fordern. Dabei ist auf die jeweilige Persönlichkeit zu achten.
Ist Unternehmensführung erlernbar?
Ich denke, dass man sich sehr vieles aneignen kann, einem das gewisse Etwas hingegen gegeben sein muss. Man ist wohl kaum von Anfang an gleich geschickt und routiniert, Entwicklung ist wichtig.
Wie spüren Sie die Wirtschaftslage?
Da verhält sich der «Lenkerhof» etwas anders als andere Hotels. Da 90% unserer Gäste in der Schweiz wohnhaft sind, können wir in der globalen Hochkonjunktur nicht gleich gut von internationalen Kunden profitieren wie andere Betriebe. Ist die Konjunktur dann weniger stark, leiden wir hingegen eher weniger. Dies dank 60% Stammgästen und Wiederholungsgästen.
Hat die globale Arbeitsteilung positive Effekte gebracht?
In der Hotellerie stellen wir den Grossteil unserer Leistungen selbst und vor Ort her. Outsourcing ist nur begrenzt möglich. Unser Qualitätsbedürfnis verlangt nach selbst hergestellten Produkten. Daher profitieren wir wenig von der globalen Arbeitsteilung.
Was geht Ihnen auf die Nerven?
Nörgler und negative Menschen – überall und immer muss etwas gemeckert werden. Meist ist das Glas halb leer anstatt halb voll.
Worüber können Sie herzlich lachen?
Über eine gute Comedy-Show – ich finde, dass wir hier in der Schweiz mit einem wirklich tollen, vielfältigen Programm unterhalten werden.
Was sagen Ihre Mitarbeiter über Sie?
Ich hoffe, dass sie mich als fair und hilfsbereit empfinden. Ich weiss aber auch, dass sie meine sonntäglichen Hotelrundgänge mit Schmunzeln betrachten. Meist fällt mir das eine oder andere auf, und ich sende dann den jeweiligen Departementen Fotos von den kleineren Abweichungen zu.
Was fasziniert Sie an Ihrer Arbeit?
Die extrem unterschiedlichen Arbeiten: Einmal bin ich mit Gästen auf einer Hotelbesichtigung, anschliessend in einer internen Sitzung, bei der es um Innovation geht, und am selben Tag erstelle ich einen Schulungsplan für meine Mitarbeiter. Jeder Tag hält seine Überraschungen bereit, Routine kann sich nie einstellen.
Wie reagieren Sie auf Kritik?
Wenn sie gerechtfertigt ist, dann nehme ich sie dankend entgegen. Das Ziel ist, besser zu werden, und da kann auch einmal etwas schiefgehen. Wir wollen Exzellenz, nicht Perfektion.
Könnten Sie ohne Handy leben?
Privat eventuell, im Geschäft wird es schwierig. Die ganze Hotellerie musste in den letzten Jahren sehr agil werden, und da gehören schnelle Reaktionszeiten dazu. Zeitung lese ich in der Zwischenzeit fast nur noch online – eine Papierzeitung in der Hand zu halten, ist Luxus und zeigt, dass etwas mehr Zeit vorhanden ist.
Wohin würden Sie auswandern?
Ich hatte das Glück, ein halbes Jahr in Kanada zu weilen. Dort lernte ich die Gegend rund um Vancouver kennen, das hat mir sehr gut gefallen. Ich könnte mir ein Leben in Kanada auch sehr gut vorstellen.
Hat Sie Ihr Bauchgefühl schon getäuscht?
Ich glaube, niemand kann sagen, dass ihn das Bauchgefühl immer vollumfänglich richtig beraten hat. Ich bin aber ganz zufrieden mit meiner Rate, ich kann fast immer darauf vertrauen.
Stellen Sie auch ehemalige Arbeitskollegen und Freunde ein?
Sehr gerne sogar, da weiss man, was man hat. In der Zwischenzeit haben wir mehrere Lernende im «Lenkerhof», die Kinder meiner Schulfreunde sind. Auch arbeiten einige meiner Schulkollegen bei uns im Haus.
Sind Frauenquoten notwendig?
Frauen Ja, Quoten für mich nicht. Unser Führungsteam ist zu 60% weiblich, und das ist gut so. Ich finde, es braucht die besten Mitarbeiter in den richtigen Positionen. Ob das jetzt ein Mann oder eine Frau ist, spielt für mich keine Rolle. Ich halte nicht viel von klassischer Rollenverteilung.
Welchen Stellenwert haben für Sie soziale Netzwerke?
Na ja, ich schaue schon ab und zu drauf, aber mehr beruflich. Privat halte ich mich mit Posts zurück – aber die Posts anderer zu lesen, kann manchmal sehr amüsant sein.
Wann können Sie wirklich abschalten?
Da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Ich kann Stunden auf dem Crosstrainer verbringen und dabei Nachrichten anschauen. Aber auch auf unserer Laube genüsslich ein Glas Rotwein trinken und eine Pfeife rauchen.
Welches ist Ihr bevorzugtes Ferienland?
Im Frühling ist unser Haus wegen Umbauten und Renovationen für einige Wochen geschlossen. Da zieht es uns gerne an die Wärme. Momentan bin ich aber von den Relais-et-Châteaux-Häusern an der amerikanischen Ostküste begeistert: Ocean House auf Rhode Island und Castle Hill Inn – wirklich eine Reise wert.
Welches ist Ihre Leibspeise? Könnten Sie sie auch selber kochen?
Als Hotelier hat man viele Leibspeisen, die eine oder andere kann ich selber kochen, ein Küchenpraktikum gehörte zur Ausbildung an der Hotelfachschule. Wenn es richtig gut sein soll, lasse ich lieber unseren Küchenchef an den Herd. Momentan bin ich Fan eines Desserts namens «Jahrmarkt»: ein Mix aus verschiedenen Komponenten, die man auf dem Märit findet – das weckt Kindheitsgefühle.
Sind Vorbilder noch aktuell?
Ich bevorzuge Werte und vorbildhaftes Verhalten. Personenkult ist etwas aus der Mode.
Was raten Sie dem Berufsnachwuchs?
Gerade in unserer Branche steht einem die Welt offen. Unsere Arbeitskräfte sind weltweit begehrt und für Qualität bekannt. Also empfehle ich, eine Ausbildung im Gastgewerbe zu machen: eine Schule fürs Leben.
Wie wurden Sie durch Ihre Lehrpersonen eingeschätzt?
Ich hoffe, dass man mich als engagierten und kompetenten Lernenden empfunden hat. Manchmal wohl etwas zu exakt und verbissen.
Hat Ihnen die Schule das wirklich Relevante vermittelt?
Auf jeden Fall, wir haben in der Schweiz ein tolles System, es berücksichtigt die Bedürfnisse der Wirtschaft.
Haben Sie ein Lieblingslied?
Mich faszinieren die Songs von I Quattro, den vier Tenören. Ganz besonders gefällt mir «Torneró».
Sind sportliche Grossereignisse für Sie ein Magnet?
Eher weniger, in der Region besuche ich aber jedes Jahr das Chuenis-Rennen in Adelboden.
Kommen Sie manchmal zu spät?
In der Regel bin ich pünktlich. Bei internen Terminen im Hotel kann es aber schon vorkommen, dass ich auf dem Weg einen Hotelgast antreffe und dort hängen bleibe. Natürlich gebe ich dann meinem Kollegen kurz Bescheid.Privat bin ich fast immer pünktlich.
Glauben Sie an das Schicksal?
Ob das Schicksal ist oder nicht, weiss ich nicht. Ich hoffe auf ein ausgewogenes Verhältnis von Glück und Unglück für alle Menschen.
Sind Sie zuversichtlich für die Schweiz?
Ja klar, die Schweiz ist ein Erfolgskonzept. Wir müssen nur agil genug sein, um mit dem Umfeld mitzuhalten. Unsere Werte sind absolut relevant.
Welche Probleme sollte die Politik unverzüglich anpacken?
Gerade im Gastgewerbe ist der Stellenmarkt ausgetrocknet, und verschärfte Regelungen in der Ausländerpolitik hätten fatale Folgen. Grundsätzlich sollten smarte Lösungen gefunden und keine Administrationsmonster geschaffen werden. Siehe Stellenmeldepflicht. Ebenfalls wünsche ich mir das Gelingen der Fair-Preis-Initiative oder allenfalls einen Gegenvorschlag des Bundesrates.
Eine Ihrer Lebensweisheiten?
Ich finde das Zitat «Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen» von Aristoteles (angeblich) sehr treffend.
Wie könnte der Titel dieses Interviews lauten?
Das Gastgeber-Gen kann man nicht kaufen.
Zur Person:
Jan-Andreas Stiller (41) ist in der Lenk aufgewachsen und führt den «Lenkerhof» mit seiner Partnerin Heike Schmidt im zehnten Jahr. Zum «Lenkerhof» gehören das Bergrestaurant Bühlberg und seit 2016 auch zwei Apartmenthäuser mit 56 Wohnungen. Das Unternehmen beschäftigt 110 Mitarbeiter und ist einer der wichtigsten Leistungsträger in der Region. Nach einer kaufmännischen Ausbildung an der Rezeption hat Stiller die Hotelfachschule Thun besucht. Es folgten verschiedene Kaderpositionen und der Wechsel in den «Storchen» in Zürich als Vizedirektor. 2008 wurde er zum Zürcher Junghotelier des Jahres gewählt. Gleichzeitig absolvierte er das Nachdiplomstudium «Hotelmanagement». Mit der besten Abschlussarbeit gewann er den Schellenberg-Preis. 2018 wurde er von den Mitgliedern der Schweizer Delegation von Relais et Châteaux zum Delegierten gewählt; er vertritt die Betriebe im Board of Directors.

Das könnte Sie auch interessieren: